Vom Streiten und Frieden schliessen

Vom Streiten und Frieden schliessen

«Wer hat angefangen? Das ist die dümmste Frage, die Eltern bei einem Streit stellen können.» Fritz und Fränzi – Das Schweizer ElternMagazin /

1 liebe Eltern und Familien, liebe Gross- eltern und Paten Eben sassen noch alle friedlich am Familientisch zusammen, dann ein falsches Wort, ein konfliktbehaftetes Thema – und schon eska- liert die Situation. Wo Menschen zusammenleben, geht es nicht nur harmonisch zu. Missverständnisse, Streit und Konflikte gehören zum Leben, denn es treffen unterschiedliche Menschen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen aufeinander. Fair streiten will gelernt sein. Auch einander verzeihen und Frieden schliessen nach einem Streit will eingeübt werden. Manchmal geht es ganz einfach. Manchmal helfen kleine Friedensrituale. Und dann gibt es Momente, in denen Friede einfach nicht gelingen will. In dieser Broschüre finden Sie Anregungen für einen konstruktiven Umgang mit Streit und Frieden schliessen in der Familie. Wir wünschen Ihnen Mut und Gelassenheit, Wege zum Frieden zu suchen und zu beschreiten. Gottes Friede sei mit Ihnen! Ihre Kirche

2 Streit und Konflikte im Familienalltag «Räum endlich dein Zimmer auf!» Es gibt unzählige Situationen und Anlässe im Alltag einer Familie, aus denen sich ein Streit oder ein Konflikt entwickeln kann. Kein Wunder, denn unterschiedliche Menschen und Bedürfnisse prallen aufeinander. Manchmal lohnt es sich, kurz innezuhalten und zu fragen: Worum geht es mir in diesem Streit? Worum geht es dir? «Immer bist du im Internet!» Müsst ihr euch schon wieder streiten?! «Spiel nicht mit dem Essen!» Jetzt hör mir doch mal zu: Zieh deine Schuhe an! Wir müssen los!

3 «Sie schreit schon wieder. Geh du doch auch mal nach Janina schauen! » Schoggi! Ich will Schoggi! Ich habe solchen Hunger! Welche Gefühle löst ein Streit bei mir aus? Was ist mir so wichtig, dass ich in den Konflikt gehe? «Muss ich wieder mal die Küche allein aufräumen? So geht das nicht! Du darfst deine kleine Schwester nicht hauen! »» «Nur noch diese Mail, dann habe ich Zeit für dich.»

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6 Wut, Ärger und Zorn sind intensive Emotionen. Sie begleiten oft einen Streit. Wie können Kinder lernen, besser mit ihrer Wut umzugehen? «Ich könnte vor Wut platzen!» Wut ist ein starkes Gefühl, das manchmal mit Kontrollverlust einhergeht. Wut im Bauch oder einen Wutanfall zu haben, ist nicht schön, weder für das wütende Kind noch für die anderen. Das soziale Miteinander wird beeinträchtigt. Dabei ist Wut ein normales Gefühl wie Angst, Überraschung, Traurigkeit und gehört zur emotionalen Grundausstattung jedes Menschen. Mit Wut werden Unbehagen und das aktive Einstehen für die eigenen Bedürfnisse signalisiert. Besonders für kleine Kinder ist es schwierig, mit Wut, Ärger und Zorn zurechtzukommen. Sie lernen erst, ihre Gefühle richtig einzuschätzen. Sie müssen Strategien entwickeln, ihr Verhalten zu steuern. Kleine Kinder brauchen Unterstützung, um zu lernen, wie sie mit ihrer Wut richtig umgehen können. Es gibt aber auch Kinder, die brauchen Ermutigung, ihren Ärger und ihre Wut überhaupt zuzulassen und zu zeigen. Mit starken Gefühlen umgehen So kannSt DU Deinem Kind helfen, mit seiner Wut besser zurechtzukommen ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Zeige Mitgefühl: «Ich merke, es geht dir gerade nicht gut.» Ermutige dein Kind, die Wut rauszulassen: «Du kannst auf das Kissen eindreschen (über die Wiese rennen, einen Ball werfen usw.).» Gib deinem Kind Zeit, bis die Wut verraucht ist. Vielleicht braucht es einen Moment für sich oder aber eine feste Umarmung. Schenke deinem Kind Augenkontakt und Nähe. Es soll spüren und hören, dass du es liebst, so wie es ist. Sprich mit deinem Kind. So lernt es, über seine Gefühle und die Auswirkungen seines Handelns nachzudenken. Sucht gemeinsam nach Strategien, wie dein Kind besser mit seiner Wut zurechtkommen kann.

7 Ich rüefe: Lönd mi doch i Rue! Ich stampfe, ich schlaa d’Türe zue. Ich bi verruckt – mir gaht’s nöd guet, i mir ine-n-isch e Wuet. Was i wott, törf ich nöd ha und ich chrä di anderen aa. Jetzt tänk-i nah, jetzt bin-i still, vilicht wott-i halt immer z’vil. Gott, nimm die Wuet, si isch nöd guet. Wie-n-es Pack bring ich die Wuet. Gott, hilf Du mir zfride sii! Mach Du mini Wuet ganz chlii! Amen. Regine Schindler Ich han e grossi Wuet Beim Streiten geht es nicht immer um das, worüber gerade gestritten wird. Der aktuelle Streit ist manchmal nur der Auslöser für etwas, was tiefer liegt. Zum Beispiel für Bedürfnisse oder Werte, die vom anderen missachtet werden, oder für verletzte Gefühle. Das Eisbergmodell besagt: 20 % einer Aussage werden auf der Sachebene wahrgenommen, 80 % auf der Beziehungsebene. Wie bei einem Eisberg. Die Beziehungsebene bestimmt zu einem grossen Teil, wie eine Aussage beim anderen ankommt. Hier liegen oft Ursachen für Missverständnisse und Konflikte. Es lohnt sich, unter die Oberfläche zu schauen und über den Streit nachzudenken. Und dann darüber zu sprechen. Das Eisbergmodell Sachebene Beziehungsebene sichtbar / bewusst Aussagen, Aktionen & Reaktionen unsichtbar / unbewusst Gefühle & Gedanken Bedürfnisse Motive Vermutungen Glaubenssätze Erste-Hilfe-Regeln Wir tun niemandem weh. Wir machen nichts kaputt. «Stopp» heisst «Stopp».

8 DER VERLORENE SOHN Gott liebt uns. Wir dürfen immer zu ihm kommen. Er freut sich darüber. Jesus erzählt dazu eine Geschichte. Ein Mann hat zwei Söhne. Sie helfen dem Vater bei der Arbeit. Später werden sie einmal alles erben, was dem Vater gehört: das Haus, die Felder, die Tiere und das ganze Geld. Der jüngere Sohn sagt zum Vater: «Ich bin jetzt gross. Ich will fort. Gib mir das Erbe, das mir gehört.» Der Vater gibt ihm viel Geld. Der jüngere Sohn packt alles zusammen und geht fort. Er freut sich. Er geht in die grosse Stadt. Er kauft sich, was er will. Er geht ins Gasthaus. Er lädt viele Leute ein. Sie sind lustig. Sie essen und trinken den ganzen Tag. Er bezahlt für alle. Aus der biblischen Schatzkiste Gott ist wie ein liebender Vater und eine liebende Mutter. Gott gibt Freiraum, kann warten, macht keine Vorwürfe. Die Geschichte vom Vater und seinen beiden Söhnen ist eine Inspiration, auch für Eltern.

9 Der Vater sagt: «Du bist und bleibst mein Sohn. Du bist wieder da. Das ist ein Freudentag!» Der Vater ruft alle zusammen: «Kommt, wir feiern ein Fest! Mein Sohn ist wieder da. Freut euch mit mir!» Der ältere Sohn ist auf dem Feld. Er sagt: «Ich komme nicht! Der Nichtsnutz hat alles Geld vertan. Und jetzt wird er auch noch gefeiert!» Der Vater sagt: «Er ist doch dein Bruder! Er war verloren und ist wiedergefunden.» Der Vater sagt: «Komm und freu dich mit mir!» Jesus sagt: «Gott liebt uns alle. Keiner ist ausgeschlossen. Wir dürfen immer zu ihm kommen. Er freut sich, wenn wir kommen.» Aus: Bibelbilderbuch (erzählt nach Lukas 15,11–32) Wie gehe ich mit dem Bedürfnis nach Autonomie um? Bei mir? Bei meinem Kind? Bei meinem Partner, meiner Partnerin? Bald hat er kein Geld mehr. Die anderen geben ihm nichts. Er kann seine Rechnung nicht bezahlen. Der Wirt wirft ihn hinaus. Er geht zu einem Bauern und sagt: «Ich habe Hunger. Gib mir etwas zu essen. Ich will dafür arbeiten.» Der Bauer sagt: «Pass auf die Schweine auf! Aber nimm dich in Acht: Iss nichts von dem guten Schweinefutter!» Da sitzt er und hat Hunger. Er denkt: Mein Vater hat viele Arbeiter. Sie bekommen genug zu essen. Ich will zu meinem Vater gehen und sagen: «Ich kann nicht mehr dein Sohn sein. Nimm mich als Arbeiter bei dir auf!» Der Vater sieht den Sohn kommen. Er geht ihm entgegen. Der Sohn sagt: «Vater, es war nicht recht, was ich getan habe. Ich bin schuldig geworden. Ich kann nicht mehr dein Sohn sein. Nimm mich als Arbeiter bei dir auf!» ZUM NACHDENKEN Was würde dem älteren Sohn helfen, den Konflikt mit seinem Bruder und seinem Vater zu lösen? Was braucht es für mich, um den ersten Schritt auf den anderen zuzugehen?

10 Scan mich!

11 Welche Streit- und Friedenskultur kennen Sie aus Ihrer Kindheit? Wie streiten Sie heute in der Familie? Wie schliessen Sie Frieden?

12 Ab welchem Alter empfindeN Kinder Schuld? Kleine Kinder sind der Mittelpunkt ihrer eigenen Welt. Sie entwickeln erst mit der Zeit ein Verständnis für Schuld und Entschuldigung. Eine Studie der Universität Toronto belegt: Ab dem sechsten Lebensjahr berichteten die meisten Kinder, sich schuldig zu fühlen, wenn sie andere Kinder angegriffen hatten. Für Studienautorin und Psychologin Tina Malti ist es durchaus gesund und gut, ein Gefühl für moralische Schuld zu entwickeln. Das hilft dem Kind im Umgang mit anderen. Frieden kann mit einem kleinen Schritt anfangen, den du zu machen beschliesst. Ein Lächeln kann eine Freundschaft begründen. Eine Freundschaft kann Mitgefühl wecken. Mitgefühl kann zu hilfreichen Handlungen führen. Und hilfreiche Handlungen sorgen im Lauf der Zeit für Gerechtigkeit und Frieden. Baptiste Paul und Miranda Paul Ich mach das wieder gut! Ich bringe wieder in Ordnung, was ich kaputt gemacht habe. Ich mache es wieder sauber. Ich besorge Ersatz. Ich räume auf. Ich kümmere mich um das Kind, dem ich wehgetan habe. Ich klebe wieder zusammen, was ich zerrissen habe. Ich baue wieder auf, was ich kaputt gemacht habe. Ich male, wie es richtig geht.

13 sucht, Überforderung oder Müdigkeit. Dann kann es gut sein, dass sie überhaupt kein Interesse daran haben, den Konflikt zu lösen. Wenn ich in solchen Momenten einer Forderung nachgebe, kommt prompt eine neue, die noch schwerer zu erfüllen ist: «Ich wollte die Kekse aber gestern, nicht jetzt!», schreit Valentin. In der Geschwisterbeziehung lebt die Konfliktfreude leider auch nach der Trotzphase fort und strapaziert unsere Nerven. «Ich glaube, es ist mein Schicksal, dass Valentin mich ärgert», seufzt Clemens (6 Jahre). Er hat recht: Sein Bruder lässt keine Gelegenheit aus, ihn anzustacheln. Und er selbst geht bereitwillig auf jede Provokation ein. Konflikte vermeiden können wir deshalb nicht. Und sie zu klären, gelingt uns auch nur selten. Als hilfreich erlebe ich es, auch die guten Seiten des Streits zu sehen. Niemand bezweifelt, dass ein Kind viel üben muss, wenn es eine Sportart oder ein Musikinstrument beherr- schen möchte. Warum sollte es bei der Konfliktbewältigung anders sein? Übung macht den Meister! Ausserdem ist es eine Stärke, wenn Kinder nicht konfliktscheu sind, sondern für sich selbst einstehen. Und es ist ein Zeichen des Vertrauens. «Mama, ich habe dich trotzdem noch lieb, auch wenn ich sauer bin», teilt mir Valentin mit und umarmt mich. Ich habe ihm vor Kurzem dasselbe erklärt. Offenbar ist die Botschaft angekommen. Sara, Mutter von zwei Jungs Übung macht den Meister Sara hat zwei Jungs, die sich oft streiten. Das ist zwar anstrengend, aber eigentlich ein wunderbares Übungsfeld, findet Sara. Laut schluchzend sitzt Valentin (3 Jahre) am Küchentisch, obwohl er vermeintlich bekommen hat, was er wollte. Als ich ihn auffordere, sich zu beruhigen, brüllt er entnervt: «Mama! Ich will zuerst sagen, was mein Problem ist!» Es stellt sich heraus, dass dieses ganz woanders liegt. Wie schön wäre es, wenn sich bei Konflikten mit kleinen Kindern immer so leicht klären liesse, was das Problem ist. Das ist bekanntlich nicht der Fall. Abgesehen davon, dass Kinder in der Trotzphase meistens noch nicht richtig sprechen können, sind Gefühle schwer zu benennen. Meine Jungs können selten genau sagen, was ihrer üblen Laune zugrunde liegt. Manchmal spüre ich, dass etwas dahintersteckt, zum Beispiel Eifer- «Niemand bezweifelt, dass ein Kind viel üben muss, wenn es eine Sportart oder ein Musikinstrument beherrschen möchte. Warum sollte es bei der Konfliktbewältigung anders sein? »

14 «Wir versuchen, auch im Streit einander zuzuhören: Was hat dich gerade gestört? Um was geht es dir genau? Unsere Erfahrung: Zuhören schafft Wertschätzung, und eine gute Atmosphäre kommt so zurück.» Markus, Vater von drei Kindern «Wenn unsere Kinder sich streiten, dann teilen sie kräftig aus, es geht sehr körperlich zu. Auch wenn es mir manchmal schwerfällt: Ich mische mich nicht ein (ausser es besteht Verletzungsgefahr!). Oft endet der Streit einfach so. Nach wenigen Minuten spielen die Kinder wieder, als wäre nichts gewesen. Als hätten einfach die Emotionen raus müssen …» Patrizia, Mutter von drei Jungs «Statt zu explodieren, wenn die Kinder mich an meine Grenzen bringen, habe ich mir einen Trick angewöhnt: Ich singe. Ich singe das erste Lied, das mir einfällt, ‹Macarena› oder ‹Häsli in der Gruebä›. Das hilft. Es lenkt mich und meine Kinder ab, die Situation entspannt sich, wie durch ein Wunder. Und meistens singen die Kinder dann irgendwann mit.» Rahel, Mutter von drei Kindern ELTERN ERZÄHLEN «Wenn wir Streit haben, vor allem wir Eltern mit den Kindern, gehen wir, nachdem sich alle etwas beruhigt haben, zu dem Kind, geben ihm Nähe und versuchen, die Situation zu besprechen. Mit Lorena (8 Jahre) geht das schon sehr gut, bei Tiara (5 Jahre) ist es etwas schwieriger. Wir haben gelernt, nicht das Kind, sondern sein Verhalten zu beurteilen. Und auch uns selbst und unser Verhalten immer wieder zu reflektieren und uns gegebenenfalls bei unseren Töchtern zu entschuldigen.» Gina, Mutter von zwei Mädchen Wer hätte nicht gerne immer eine friedliche Stimmung in der Familie! Aber Streit und Konflikte sind normal und Chancen, ein friedlicheres Miteinander einzuüben.

15 Der Elternkurs «Starke Eltern – Starke Kinder®» stärkt Mütter, Väter und Grosseltern in ihrer anspruchsvollen Aufgabe der Kindererziehung und trägt zu einem gelasseneren Familienalltag bei. Im Internet finden sich aktuelle Kursangebote. 7 Tipps für eine gute Streitkultur in der Familie Kinder lernen durch Nachahmen. Die Streitkultur, die sie in der Familie erleben, wird sie prägen. Ob Eltern es wollen oder nicht: Sie sind Vorbild für ihre Kinder. Aber was gehört zu einer guten Streitkultur? 1. Verletzungen vermeiden Es ist nicht leicht, bei einem heftigen Streit die eigenen Emotionen und Worte zu kontrollieren. Gewaltfrei streiten kann gelernt werden. 2. Auf das Gute fokussieren Es hilft, in einer brenzligen Situation kurz innezuhalten und sich zu überlegen: Was mag ich am anderen? 3. Ursachen erforschen Warum streiten wir gerade? Worum geht es eigentlich? Übrigens: Streit lässt sich besser klären, wenn die Emotionen etwas heruntergekocht sind. 4. Die Perspektive wechseln Versuche, in Gedanken die Sichtweise des anderen einzunehmen: Wie fühlt sie oder er sich wohl gerade? Wie würde es mir an seiner bzw. ihrer Stelle ergehen? Und auch Selbstreflexion ist erlaubt: War ich wirklich fair? Warum reagiere ich so emotional? 5. Lösungsorientierte Kommunikation einüben Wir lassen einander ausreden und hören einander wirklich zu. 6. Eine win-win-Lösung suchen Ziel ist nicht, dass jemand Recht bekommt und der andere nachgeben muss oder gar «schuld» ist. Die Wirklichkeit eines Streits ist meist komplexer. Gute Lösungen werden im Gespräch entwickelt und sind oft überraschend anders. Nur wenn alle mit der Lösung einverstanden sind, kann ein Streit wirklich beendet werden. 7. Sich entschuldigen und versöhnen Jeder bzw. jede ist im Streit auch einmal unfair und gemein. Wichtig ist, es zu erkennen und sich zu entschuldigen. Ein kleines Versöhnungsritual hilft, den Streit auch emotional zu beenden. Zum Beispiel eine Umarmung oder gemeinsam heisse Schoggi trinken.

16 Wenn auch mein Bestes nicht reicht «Meine vier Kinder sind heute erwachsen. Ich schaue zurück auf viele Jahre Erziehungsarbeit in der Familie. Meine Kinder ins Leben zu begleiten, war eine Aufgabe, die mir viel Freude bereitet hat. Sie hat mich aber oft an meine Grenzen gebracht, als mein Mann in ein Burnout fiel, auch darüber hinaus. Als junge Mutter habe ich viel gelesen über gute Kindererziehung und pädagogisch wertvolles Handeln. Ich habe mich mit anderen ausgetauscht. Ich wollte alles richtig machen, habe mich bemüht, all die guten Tipps im Familienalltag anzuwenden. Das ist mir manchmal gelungen, oft jedoch nicht. Je mehr Wissen ich hatte, wie ich eigentlich hätte erziehen sollen, desto stärker meldete sich mein schlechtes Gewissen. Viele einfühlsame Gespräche mit meinen Kindern, die ich hätte führen sollen, haben eben nicht stattgefunden! Ich fühlte mich oft unfähig als Mutter. Dabei liebte ich doch meine Kinder! Aber ich war selbst zu oft am Rand meiner Kräfte, mit Kindern, Job, Haushalt, Beziehung, Krankheit. Heute weiss ich: Ich habe mein Bestes gegeben, aber es hat nicht gereicht, allen meinen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Verletzungen, die mit ihrer Kindheit zu tun haben, sind für eines meiner Kinder eine schwere Bürde. Wenn ich zurückkönnte, würde ich vieles anders machen. Ich bin froh, dass ich mit meinen Kindern reden konnte. Um Verzeihung bitten. Um Verständnis werben. Gott meine Not klagen, ihn um Hilfe bitten. Mich vom Engel der Vergebung berühren lassen. Es hat Zeit gebraucht, mit der Traurigkeit und den Schuldgefühlen fertig zu werden. Ich bin bescheiden geworden, offener, verständnisvoller, verurteile andere nicht mehr so schnell. Und ich bin sehr dankbar, dass meine Kinder mich dennoch lieben und wir eine Familie sind, die aufeinander achtet – trotz allem.» Magdalene, Mutter von vier erwachsenen Kindern Wie gehe ich mit Erfahrungen erzieherischer Unzulänglichkeit um? Als Mutter oder Vater meiner Kinder? Als erwachsene Tochter oder Sohn meiner Eltern?

17 Aber Gott hat zu mir gesagt: «Verlass dich ganz auf meine Gnade. Denn gerade wenn du schwach bist, kann sich meine Kraft an dir besonders zeigen.» 2. Korinther 12,9 / Gott gebe dir für jeden Sturm einen Regenbogen, für jede Träne ein Lachen, für jede Sorge eine Aussicht und eine Hilfe in jeder Schwierigkeit. Für jedes Problem, das das Leben schickt, einen Freund, es zu teilen, für jeden Seufzer ein schönes Lied und eine Antwort auf jedes Gebet. Amen. Irischer Segenswunsch

18 Jede Familie hat ihre Ausdrucksweise und entwickelt ihre eigenen kleine Rituale und Traditionen. Es stärkt den Zusammenhalt in der Familie, für das Sich-Versöhnen nach einem Streit ein Ritual zu haben. Friedensrituale für Familien Friedensseil In ein dickes Seilstück werden beim Erzählen, was passiert ist, Knoten geknüpft: Was ist noch verknotet in mir? Welche Gefühle sind verletzt? Gemeinsam lösen wir die Knoten auf. Friedensspaziergang Vereinbart einen Ort im Quartier, einen Baum, eine Sitzbank, eine Wegkreuzung. Bis dahin gehen die Streitenden alleine, um ihren Gefühlen nachzuspüren. Sprecht euch am vereinbarten Ort aus und schliesst Frieden, zum Beispiel mit einem Handschlag. Den Weg zurück nach Hause geht ihr gemeinsam. Friedenslicht Gestaltet zusammen eine Friedenskerze, die jeweils angezündet wird, wenn ihr nach einem Streit wieder Frieden schliessen wollt. Die Kerze kann eine Zeitlang brennen und euch daran erinnern, wie schön es ist, wenn ihr es wieder gut miteinander habt. Friedenskette Bastelt eure Familien-Friedenskette. Klebt bunte Papierstrei- fen zu Kreisen zusammen, dass daraus eine Kette entsteht. Die Kette kann in der Wohnung aufgehängt werden. Wenn ihr euch versöhnt habt, kommt ein weiteres Kettenglied dazu, sodass die Friedenskette im Lauf der Zeit immer länger wird. Sie kann euch daran erinnern, dass ihr, obschon ihr euch ab und zu streitet, doch immer miteinander verbunden bleibt. Welches Friedens- ritual haben wir in unserer Familie?

19 In keiner Familie läuft es immer rund. Es gibt Missverständnisse und Streit, schlechte Stimmung und Gehässigkeiten. Das Abendritual ist eine gute Gelegenheit, auch das Misslungene auszusprechen, vor Gott zu bringen und es dann loszulassen. Denn Gott ist mit uns auf dem Weg und steht zu uns und unseren Kindern. Ermuntern Sie Ihr Kind, über den Tag zu sprechen, über das Schöne und auch über das Schwierige. Fragen Sie es, wie es sich jetzt fühlt. Vielleicht helfen Gegenstände beim Reden, zum Beispiel eine Feder für das Schöne und ein Stein für das Schwierige. Segnen Sie Ihr Kind. Legen Sie Ihrem Kind die Hände sanft auf dem Kopf und sprechen Sie ein Segensgebet. Den Tag im Frieden beenden FRIEDENSWUNSCH mit Bewegungen: « Fride wünsch ich dir Arme zum anderen hin öffnen. und Fride wünsch ich mir. Arme vor Brust verschränken. Fride für eus alli Arme vor der Brust öffnen. und für di ganzi Wält. » Mit den Armen einen Bogen über dem Kopf schlagen. Lieder für den Frieden: Gott segne dich, mein Kind. Du musst nicht alles können. Es darf auch mal nicht rund laufen. Fehler dürfen passieren. Es darf dir leidtun. Du darfst dich entschuldigen. Du darfst sagen, was dich wütend gemacht hat. Du darfst du selber sein. farbenspiel.family

20 Autorinnenteam: Judith Furrer Villa, Religionspädagogin; Daniela Holenstein, Erwachsenenbildnerin Redaktion: Dorothea Meyer-Liedholz Illustration Wimmelbild: Tobias Sturm, www.tobiassturm.ch Layout und Gestaltung: Britta Appert, Zürich Druck: Druckerei Lutz AG, Speicher; printed in Switzerland Vertrieb: Verband Kind und Kirche I Chileweg 1 I 8415 Berg am Irchel www.kindundkirche.ch/farbenspiel.family; Einzelbroschüre: Fr. 4.00; Staffelpreise pro Broschüre: ab 10 Ex. Fr. 3.70; ab 20 Ex. Fr. 3.60; ab 50 Ex. Fr. 3.40 Copyright: 2. Auflage © 2024 farbenspiel.family (EA 2022) Textrechte: US vorne: «Fritz und Fränzi – Das Schweizer ElternMagazin», Themenheft «Konflikte», Juni 2022, S. 32 © Fritz und Fränzi; S. 4f: Gekürzte Fassung nach: Max Bolliger aus: «Die Kinder- brücke» © Bohem Press AG, Affoltern am Albis; S. 7: Gebet von R. Schindler aus: «Starche Gott – Du bisch min Fründ», S. 27 © Theologischer Verlag Zürich; S. 8f: Text: Hellmut Haug aus: Bilderbibelbuch, Bd. 4, S. 56–79 © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart; S. 12: «Ich mach das wieder gut!» © Verlag an der Ruhr 2017, Ich mach das wieder gut! 33 Aktions- karten für aufrichtige Entschuldigungen in der Kita, ISBN 978-3-8346-3671-3; Aus dem Nachwort des Bilderbuchs «Frieden» von Baptiste Paul und Miranda Paul, illustriert von Estelí Meza © 2021 NordSüd Verlag AG, Zürich/Schweiz; S. 17: 2. Korinther 12,9 ist der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis; US hinten: Matthäus 5,9 ist der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis Bildrechte: S. 1: Mädchen © pixabay; S. 2: Internet © Photo by Marek Levák on Unsplash; Spaghetti essen © istock/SolStock; Legosteine © shutterstock/Wachiwit; Geschwisterstreit © istock/Kyryl Gorlov; Zuhören © istockphoto/fizkes; S. 3: Geschirrspüle © AdobeStock/Daxiao Productions; Mail © shutterstock/Sergii Sobolevskyi; Vater mit Sohn © iStock/LittleCityLifestylePhotography; Quengeln © istock/FangXiaNuo; Füsse © istock/RapidEye; S. 4f: Vorlage Buch © AdobeStock/ Goir; S. 5: Hände und Kinder © Ev.-ref. Kirche des Kantons Zürich/Tanja Stephani; S. 7: Wüten- des Kind © istock/jegesvarga; S. 8: Der verlorene Sohn kehrt nach Hause zurück, aus: Bilder- bibelbuch, Bd. 4, S. 74 © 2022 Kees de Kort; S. 12: Spielzeughelikopter © istock/energy; S. 13: © privat; S. 14: Friedenstaube © istock/twohumans; S. 17: Keramikschale © shuttestock/ Marco Montalti; S. 18: Kerze © istock/Marizza; Friedensseil © AdobeStock/Ambart Sumian; Friedenskette © iStock/Djordje Djurdjevic; S. 19: Regenbogenstein © iStock/Christin Lola Die herausgebenden Kirchen waren bemüht, alle nötigen Abdruckrechte einzuholen. Wir bitten, nicht erhebbar gewesene Rechte gegebenenfalls zu melden: Kontakt: info@farbenspiel.family. farbenspiel.family möchte Eltern, Familien, Grosseltern und Paten inspirieren, die spirituelle Dimension im Familienalltag zu entdecken und zu gestalten. Auf der Website farbenspiel. family finden Sie dazu Anregungen, Tipps, Praxisbeispiele und aktuelle Hinweise zu unseren Broschüren, die farbenspiel. family zu verschiedenen Themen herausgibt. Katholische Kirche im Kanton Zürich Hirschengraben 66 I 8001 Zürich www.zhkath.ch Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Bern Zähringerstrasse 25 I 3012 Bern www.kathbern.ch Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn Altenbergstrasse 66 I 3000 Bern 22 www.refbejuso.ch Herausgeberinnen: Reformierte Kirche Kanton Zürich Hirschengraben 50 I 8001 Zürich www.zhref.ch Reformierte Kirche Aargau Stritengässli 10 5001 Aarau www.ref-ag.ch Römisch-Katholische Kirche im Aargau Feerstrasse 8 I 5001 Aarau www.kathaargau.ch Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St.Gallen Oberer Graben 31 I 9000 St.Gallen www.ref-sg.ch Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden Loëstrasse 60 I 7000 Chur www.gr-ref.ch Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schaffhausen Pfrundhausgasse 3 8200 Schaffhausen www.ref-sh.ch Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern Abendweg 1 I 6000 Luzern 6 www.lukath.ch Kooperationspartnerschaften: Bistum Basel Baselstrasse 58, Postfach 4502 Solothurn www.bistum-basel.ch Bistum St.Gallen Klosterhof 6b, Postfach 263 9001 St.Gallen www.bistum-stgallen.ch Verband Kind und Kirche Chileweg 1 8415 Berg am Irchel www.kindundkirche.ch farbenspiel.family folgen: Newsletter abonnieren!

«Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.» Matthäus 5,9 /

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