Story: Ginevra wird getauft
Die Glocken verkünden das Ende der Messe und entsenden die Kirchbesucher in den warmen Sonntagvormittag. Die Fenster der Gemeinde St. Katharina lassen bunte Sonnenstrahlen in die leere Kirche eintreten. Doch zu Ende ist dieser Sonntag noch lange nicht. Einer von elf Taufsonntagen ist heute, am 27. Oktober, im Pfarreikalender markiert. Auf dem Kirchplatz besammeln sich bereits die ersten Tauffamilien und gehen nach und nach durch die frei gewordenen Kirchentüren. Hände werden geschüttelt, Küsse gewechselt (es war noch vor Corona!) und verschiedene Sprachen hallen durch das Stimmengewirr. Einige Smartphones werden gezückt, während die weissen Taufbündel unter den wachsamen Augen der Eltern, liebevoll herumgereicht werden. Viele Familien schätzen die Privatsphäre und wünschen sich die Taufe nicht mehr innerhalb, sondern nach dem Sonntagsgottesdienst. Der Vorteil ist nicht von der Hand zu weisen: Diese Feier gehört uns, und die Kinder stehen im Mittelpunkt.
Insgesamt sechs Kinder werden getauft, wie man an den weissen Taufkleidern abzählen kann. Unsere Tochter, Ginevra, sticht neben den anderen Taufkindern deutlich hervor. Mit ihren 18 Monaten ist sie die Älteste und kann als Einzige bereits laufen – woraus sie kein Geheimnis macht. Die vielen Eindrücke wandern direkt in die Füsse. Doch nun beginnt der Gottesdienst. Mein Mann sitzt vorne am E-Piano und stimmt das erste Lied an: «Danke für diese schöne Taufe» mit der Melodie von «Danke für diesen guten Morgen» – ein Vorschlag des Pfarrers, der eindeutig an der Musiker-Ehre meines Mannes kratzt. Unser Pfarrer ist ein herzensguter Mensch, der mit Humor und Liebe zum Detail alles im Blick hat. Auch hier behält er Recht: Die meisten Leute singen tatsächlich mit und freuen sich über die bekannte Melodie. Nun dürfen die Eltern ihre Taufkinder kurz vorstellen. Ausser Namen und Alter gibt es noch keine wesentlichen Unterschiede unter den Kleinen zu verzeichnen. Und trotzdem ist jede Vorstellung wieder spannend, weil kein Kind dem andren gleicht. Zudem ist es rührend zu beobachten, wie glücklich jedes Elternpaar vom eigenen Kind erzählt und es stolz in der Runde präsentiert. Nach der Lesung des Evangeliums folgt eine kurze Ansprache, die im Familienlärm etwas untergeht, jedoch nicht gänzlich ungehört bleibt.
Nun folgt endlich die Taufe. Einzeln werden die Namen der Kinder aufgerufen und von ihren Eltern und Paten zum Taufbecken nach vorne getragen. Dort werden sie drei Mal «im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes» mit Wasser getauft. Anschliessend wird das Köpfchen mit Chrisam gesalbt, einem kostbaren Öl, zum Zeichen der Königswürde. Das ist ein Ritual, das ich besonders liebe. Dann wird das weisse Taufkleid übergezogen, sofern das Kind es noch nicht trägt, und die Paten entzünden die Taufkerze an der Osterkerze. Hier ist nun auch endlich Platz für ein heiss begehrtes Familienfoto. Viele Kinder, die ihre Taufe unbesonnen verschlafen haben, werden spätestens jetzt wieder munter. Als wir nach vorne gehen, sind mein Mann und ich sichtlich gerührt, womit ich gar nicht gerechnet hatte. Unsere Kleine hingegen lacht unbekümmert. Als jedoch das Wasser über ihren zarten Kopf gegossen wird, erschrickt sie kurz. Sie schaut empört zu uns rüber, als wolle sie fragen: «Was soll das jetzt, bitte?» Diese Frage wird sie sich sicher noch häufiger im Leben stellen. Schön, dass Gott ein offenes Ohr für alle ihre Fragen hat.
Caroline, Mutter von Ginevra