Soll ich mein Kind religiös erziehen?
Hand aufs Herz: Glaubst du an Gott? Kannst du das mit einem klaren Ja oder Nein beantworten?
Als Schreiberin wird mir etwas mulmig bei dieser Frage. Meine Antwort lautet: Im Grunde genommen glaube ich an Gott. Und: Manchmal finde ich es schwierig, an Gott zu glauben. Und: Mein Glaube hat sich im Lauf der Jahre verändert.
Religion im gesellschaftlichen Wandel
Der Umgang mit Religion hat sich in den letzten Jahrzehnten gesellschaftlich enorm gewandelt. Heutzutage braucht es die Erklärung Gott nicht mehr, um ein gutes Leben zu führen und um mit schwierigen Ereignissen umzugehen. Und wenn Gott, dann bitte welchen? Wir leben in der Schweiz in einer multikulturellen Gesellschaft. Es ist selbstverständlich, dass es im Kindergarten und in der Schule nicht nur Kinder mit christlicher Religionszugehörigkeit gibt, sondern auch solche, die einer anderen oder gar keiner Religion angehören. Damit relativiert sich das eigene Gottesbild. Das christliche Gottesverständnis ist eines unter vielen.
Brauche ich Gott deshalb nicht mehr? Ich finde, es gibt auch heute noch vieles, das geheimnisvoll ist, das mich ins Staunen bringt, ins Wundern, ins Fragen. Dann spüre ich, dass es mehr geben muss. Ich nenne es Gott. Auch die grundlegenden Fragen nach dem Sinn des Daseins, nach meinem Woher und Wohin, sie bleiben offen, ich suche nach Antworten.
Religion in der Familie
Die Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen stellt Eltern und Erziehende vor eine grosse Herausforderung. Soll ich dem Unfassbaren Rechnung tragen, indem ich mein Kind mit der spirituellen Dimension des Lebens vertraut mache? Soll ich es religiös erziehen? Und wenn ja, wie? Oder ist es besser, dem Kind alle Freiheiten zu lassen und einmal zu schauen, ob es selbst mit der Frage nach Gott kommt? Wie sehr darf ich seine religiöse Entwicklung beeinflussen? Welchen Platz soll der Glaube in unserer Familie haben?
Religion als Lebenshilfe und Stärkung
Glaube und Religion haben heute für nicht wenige Menschen einen schalen Beigeschmack. Die Geschichten der Religionen geben vielfältigen Anlass dazu. Doch es gibt auch die andere Seite: Religion als Lebenshilfe und Stärkung. Es ist doch einfach gut zu wissen, dass ich und mein Kind einzigartig sind. Dass sich im Leben Sinn finden lässt. Dass ich, so wie ich bin, geliebt und gehalten bin. Dass ich in (christlichen) Ritualen und im Gebet zu Gelassenheit finde. Das gibt mir Kraft und Zuversicht im Alltag mit Kindern. Das möchte ich, bei allen Zweifeln, die ich selbst immer wieder habe, meinen Kindern mit auf den Lebensweg geben. Und meine Kinder sollen wissen: Zweifeln ist nicht nur erlaubt, es bringt uns weiter. Und gemeinsam über Gott und die Welt nachdenken. Fragen stellen. Antworten ausprobieren.
Katharina, Mutter von zwei erwachsenen Kindern